Ergebnisse
Sanktionspraxis
Die 2007 in Kraft getretene Revision des Sanktionenrechts hat zu einem starken Wandel der Sanktionspraxis geführt, welche trotz der konservativ inspirierten Revision von 2018 nur in wenigen Kantonen zu Veränderungen geführt hat. Zu beachten ist, dass seit 2011 in 94% aller Fälle ein Strafbefehl ausgestellt wird, wobei die Staatsanwaltschaft in eigener Regie einer beschuldigten Person einen Sanktionsvorschlag zukommen lässt. Wird dieser angeommen, ist die Strafe zu vollziehen; andernfalls kommt es zu einer Verhandlung. Diese auf die gesamtschweizerische Strafprozessordnung zurückgehende Vereinheitlichung der Strafkompetenz und -erstausprache hat, trotz der eher konservativen Sanktionshaltungen in den Staatsanwaltschaften, dazu geführt, dass heute vor allem Geldstrafen, in der grossen Mehrheit in der bedingten Form, ausgesprochen werden.
Geldstrafen - Häufigste Sanktionsform
Monetäre Strafen in Form der Busse wurden bis 2006 ausgesprochen; seit 2007 werden hauptsächlich Geldstrafen in bedingter und unbedingter Form verhängt; die teilbedingte Geldstrafe existierte nur von 2007 bis 2017 und wurde in der Revision 2018 aufgehoben. Die seltenen teilbedingten Geldstrafen wurden in dieser Graphik den unbedingten zugerechnet.
Der Anteil der bedingten Geldstrafe machte nach der Revision 2007 74% aller Sanktionen aus, 2017 70% und 2020 immer noch 70%. Der Anteil der unbedingten ist über die ganze Zeit hinweg leicht gestiegen, nämlich von 10% auf 16%.
sfGeldstrafen - Häufige Bagatellstraffälle
Geldstrafen können in bedingter und unbedingter Form ausgesprochen werden. Ab 2007 ersetzte insbesondere die bedingte Geldstrafe die zuvor bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen, allem voran im Bereich der Strassenverkehrsdelikte.
Die bedingte Geldstrafe wird jährlich um die 70'000 Mal verhängt; die unbedingte etwas über 15'000 Mal.
Während die bedingte Geldstrafe im Durchschnitt etwas kürzer (30 Tagessätze) ist als die unbedingte (40 Tagessätze), liegt der mediane Tagessatz bei den bedingten mit 50 Franken etwas höher als bei der unbedingten (40 Franken). Bei beiden kommt man somit auf eine Geldstrafenhöhe von 1500 resp. 1600 Franken.
Freiheitsstrafen - immer seltener ausgesprochen
Freiheitsstrafen - in bedingter, teilbedingter und unbedingter Form - werden in der heutigen Sanktionspraxis immer seltener ausgesprochen, insbesondere im Vergleich mit der Zeit vor der Revision des Sanktionenrechts von 2007.
Zählte man kurz vor 2007 rund 55'000 jährlich ausgesprochene Freiheitsstrafen, die überwiegende Mehrheit in bedingter Form, sind sie nach der Revision auf unter 10'000 Fälle zurückgegangen. Während in den Folgejahren die Fallzahlen der unbedingten Strafe leicht zunahmen, blieben die bedingten in der Form von Strafen von 6 bis 24 Monaten stabil, mit rund 2500 Fällen.
Die unbedingten gehen seit 2013 jährlich kontinuierlich zurück, während die bedingten 2018 und 2019 einen leichten Anstieg erfuhren. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass der Einsatz der bedingten Freiheitsstrafe stark kantonal bedingt ist - während einige wenige Kantone die Gelegenheit der Anwendung der kurzen bedingten Freiheitsstrafe wieder nutzen, haben andere ihre Praxis nicht geändert.
Freiheitsstrafen - immer kleinerer Anteil
Dass Freiheitsstrafen in der heutigen Sanktionspraxis immer seltener ausgesprochen, zeigt sich auch daran, dass der Anteil der bedingten lange bei 50% lag, seit der Revision 2018 allerdings nur noch bei rund 6% liegt, nachdem er 11 Jahre - zwischen 2007 und 2017 - auf einem tiefen Niveau von 2% stabil war.
Der Anteil der un- und teil(un)bedingten Freiheitsstrafe lag in den 1980er Jahren bis in die Mitte der 1990er Jahre bei rund 20%, um dann - reformbedingt - auf unter 10% zurückzufallen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass diese Strafen weiterhin zu 75% von 6 Monaten Dauer und weniger sind. Der Median liegt seit 2007 bei 90 Tagen.
Die Fallzahlen der teilbedingten Freiheitsstrafe können stabil genannt werden. Ihr Anteil an allen Strafen liegt über die ganze Zeit gesehen unter 1%. Sie dauert seit 2007 913 Tage (2,5 Jahre); man kann davon ausgehen, dass jeweils sechs Monate vollzogen werden müssen.
Freiheitsstrafen - fallende Häufigkeit
Die Fallzahlen der Freiheitsstrafe müssen nicht nur als Anteile aller Verurteilungen, sondern im Zusammenhang mit der Bevölkerungsentwicklung verstanden werden. Werden diese Daten deshalb mit der von 6,5 Million Mitte der 1980er Jahre auf 8,6 Millionen im Jahre 2020 angestiegenen schweizerischen Bevölkerung umgerechnet, so zeigt sich ein deutlicher Abfall der Häufigkeitsziffer seit der Reform.
Zwischen den 1970er Jahre und 2006 beobachtet man einen Anstieg der aller Freiheitstrafen -nämlich von 500 auf nahezu 800 Fälle pro 100'000 Personen der Wohnbevölkerung - bei gleichzeitiger Stabilität der unbedingten. Nach den starken Veränderungen von 2006 auf 2007 (Abfall von nahezu 90% bei allen Strafen, 54% bei den unbedingten) liegen die Werte im Jahre 2020 bei 100 Freiheitsstrafen pro 100'000 Personen der Wohnbevölkerung.
Über 3-jährige unbedingte Freiheitsstrafen
Seit einiger Zeit gehen einige Beobachter des Freiheitsentzugs davon aus, lange, über drei Jahre dauernde unbedingte Freiheitsstrafen hätten nicht nur zugenommen, sondern seien zudem im Durchschnitt länger geworden. Eine Sonderauswertung des Bundesamtes für Statistik erlaubt es, diese Idee stark zu relativiern.
Sie zeigt, dass die jährliche Anzahl dieser Freiheitsstrafen zwischen 2007 und 2017 zugenommen haben, seither aber wieder stark zurückgehen. Bewergten sich die Zahlen zwischen 2007 und 2012 um rund 550, so stiegen die Zahlen in den Folgejahren auf etwas über 620 Fälle. Seit 2018 findet eine Trendwende statt.
Die Dauer weist ebenfalls eine hohe Stabilität auf: sie liegt seit 2009 bei 5 Jahren und wird auch weiterhin auf diesem Niveau liegen.